Ordnungsgemäße Kassenführung
1 Einleitung
Die Kassenführung insbesondere in bargeldintensiven Betrieben einzurichten, ist seit jeher keine leichte Aufgabe. Unterlaufen hierbei formelle oder materielle Fehler, führt das im Rahmen einer Betriebsprüfung oder einer Nachschau regelmäßig zur Schätzung von Umsatz und Gewinn.
Aus diesem Grund ist es wichtig, die handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung – ebenso wie die steuerlichen Ordnungsvorschriften – zu kennen und rechtssicher anzuwenden. Spätestens seit dem 01.01.2017 sind alle Kassendaten (Einzelaufzeichnungen) für die Dauer der Aufbewahrungsfrist jederzeit verfügbar, unverzüglich lesbar und maschinell auswertbar aufzubewahren. Werden elektronische Aufzeichnungssysteme verwendet, müssen die Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (GoBD)[1] beachtet werden.
Am 29.12.2016 ist zudem das Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen in Kraft getreten, mit dem nicht nur die Anforderungen an die Aufzeichnung von Kasseneinnahmen und Kassenausgaben weiter verschärft wurden, auch die Prüfungsdienste der Finanzverwaltung erhalten weitergehende Rechte. So besteht seit dem 01.01.2018 die Möglichkeit einer unangemeldeten Kassen-Nachschau (→Kapitel 8). Zwei Anwendungserlasse des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) zu den §§ 146 und 146b Abgabenordnung (AO) aus dem Jahr 2018 konkretisieren die Vorgaben für die Umsetzung in der Praxis.
Ferner müssen elektronische Aufzeichnungssysteme grundsätzlich ab dem 01.01.2020 über eine zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung verfügen (§ 146a AO). Ein Anwendungserlass aus dem BMF vom 17.06.2019 sowie ein weiteres BMF-Schreiben vom 06.11.2019 (sog. Nichtbeanstandungsregel bis 30.09.2020) erläutern umfassend die gesetzlichen Vorgaben aus Sicht der Finanzverwaltung. Daran anschließend haben alle Bundesländer mit Ausnahme von Bremen eigene Anweisungen veröffentlicht, die unter bestimmten Voraussetzungen eine weitere Fristverlängerung zur Implementierung der zertifizierten technischen Sicherheitseinrichtung bis längstens 31.03.2021 vorsehen (→Kapitel 9).
Die Organisation der Kassenführung und die Art der Aufzeichnungen sollten in jedem Fall mit dem Steuerberater und dem für das Kassensystem zuständigen IT-Dienstleister besprochen werden.
Hinweis |
Ausführlichere Informationen zum Thema finden Sie im Fachbuch „Kassenführung – Bargeschäfte sicher dokumentieren (2. Auflage)“. Das Buch richtet sich an Unternehmer und ist für unsere Mitglieder über DATEV und für Nicht-Mitglieder über den freien Buchhandel bestellbar. |
2 Allgemeine Grundsätze
Sowohl bei papierenen als auch bei elektronisch erstellten Büchern und Aufzeichnungen ergeben sich die Anforderungen an die Ordnungsmäßigkeit der Kassenführung aus
- außersteuerlichen Rechtsnormen, die für das Steuerrecht nutzbar gemacht werden können, wenn sie für die Besteuerung von Bedeutung sind (z. B. Vorschriften des Handels- und Gewerberechts) und aus
- steuerlichen Rechtsnormen und Ordnungsvorschriften, insbesondere aus den §§ 145 – 147 Abgabenordnung(→Kapitel 3).
Darüber hinaus sind zahlreiche gesetzliche oder von der Rechtsprechung entwickelte branchenspezifische Aufzeichnungspflichten zu beachten. Sie regeln etwa die Führung und Aufbewahrung von Schichtzetteln im Taxigewerbe, von Auftragszetteln eines Pizza-Taxis oder von Kellnerberichten in der Gastronomie.
Neben den außersteuerlichen und steuerlichen Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen zu Geschäftsvorfällen sind alle Unterlagen aufzubewahren, die zum Verständnis und zur Überprüfung der für die Besteuerung gesetzlich vorgeschriebenen Aufzeichnungen im Einzelfall von Bedeutung sind.
3 Steuerliche Ordnungsvorschriften
Kasseneinnahmen und Kassenausgaben sind einzeln, vollständig, richtig, zeitgerecht, geordnet und unveränderbar festzuhalten (§§ 146 Abs. 1, 4 Abgabenordnung).
3.1 Grundsatz der Einzelaufzeichnung
Die Verpflichtung zur Einzelaufzeichnung von Geschäftsvorfällen ergibt sich aus handelsrechtlichen Normen (§ 238 Handelsgesetzbuch), aus steuerlichen Ordnungsvorschriften (§§ 145, 146, 146a Abgabenordnung) und aus umsatzsteuerrechtlichen Regelungen (§ 22 Umsatzsteuergesetzi. V. m. § 63 Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung). Die Geschäftsvorfälle müssen sich in ihrer Entstehung und Abwicklung verfolgen lassen. Das gilt sowohl progressiv bei der Nachvollziehbarkeit des Geschäftsvorfalls von der erstmaligen Erfassung über die Gewinnermittlung bis in die Steuererklärungen, als auch retrograd. Hier verläuft die Prüfung umgekehrt.
Einzelaufzeichnungen erfordern in der Regel Informationen über
- die Identität der Vertragspartner (Name und Anschrift),
- den Inhalt des Geschäfts,
- die in Geld bestehende Gegenleistung und
- soweit zumutbar, eine ausreichende Bezeichnung des Geschäftsvorfalls.
Mindestens aufzuzeichnen sind nach Auffassung der Finanzverwaltung
- der verkaufte, eindeutig bezeichnete Artikel,
- der endgültige Einzelverkaufspreis,
- der dazugehörige Umsatzsteuersatz und -betrag,
- vereinbarte Preisminderungen,
- die Zahlungsart,
- Datum und Zeitpunkt des Umsatzes und
- verkaufte Menge bzw. Anzahl.[2]
Unter Berücksichtigung branchenspezifischer Mindestaufzeichnungspflichten und dem Aspekt der Zumutbarkeit und Praktikabilität kann unter Umständen auf einzelne Angaben verzichtet werden, z. B. auf den Kundennamen bei Laufkundschaft in einer Bäckerei. Keinesfalls kann auf die Aufzeichnung des Namens verzichtet werden, soweit sie gesetzlich vorgeschrieben ist, etwa nach den Vorschriften des Geldwäschegesetzes. Da bei Prüfung dieser Frage auch Aspekte des Datenschutzes einfließen können (z. B. Bundesdatenschutzgesetz, Datenschutz-Grundverordnung), sollten Sie die für Ihr Unternehmen individuellen Mussinhalte der Einzelaufzeichnungen mit dem Steuerberater besprechen und anschließend ggf. mit dem Kassendienstleister umsetzen.
Hinweis |
Ausführliche Informationen zu Branchen finden Sie in unseren Fachbüchern „Kassenführung in der Gastronomie“ oder „Kassenführung in Heilberufen“. Die Ausgaben richten sich an Unternehmer und sind für unsere Mitglieder über DATEV sowie für Nicht-Mitglieder über den freien Buchhandel bestellbar. |
Die grundsätzliche Pflicht zur Einzelaufzeichnung der Geschäftsvorfälle besteht aus Zumutbarkeitsgründen nicht, wenn Waren an eine Vielzahl nicht bekannter Personen gegen Barzahlung verkauft werden und der Steuerpflichtige kein elektronisches Aufzeichnungssystem verwendet (offene Ladenkasse →Kapitel 5). In Einzelfällen kann diese Ausnahmeregelung auch auf Dienstleistungen anwendbar sein.
3.2 Grundsatz der Zeitgerechtheit
3.2.1 Allgemeines
Kasseneinnahmen und Kassenausgaben sind täglich festzuhalten. Jede nicht durch die Verhältnisse des Betriebs oder des baren Geschäftsvorfalls zwingend bedingte Zeitspanne zwischen dem Eintritt des Vorgangs und seiner laufenden Erfassung in Grund(buch)aufzeichnungen gefährdet die Ordnungsmäßigkeit der Kassenführung.
Exkurs: Grund(buch)aufzeichnungen |
Kassenbücher, Kassenberichte oder elektronische Einzelaufzeichnungen beinhalten Grund(buch)aufzeichnungen. Damit soll gewährleistet werden, dass einzelne Geschäftsvorfälle nicht verloren gehen, identifizierbar und leicht auffindbar sind. Grund(buch)aufzeichnungen dienen der Belegsicherung und der Unverlierbarkeit der Geschäftsvorfälle. Bei Einhaltung sämtlicher Vorgaben erhalten Bücher und Aufzeichnungen Grund(buch)aufzeichnungsfunktion. Erfüllen sie diese Funktion nicht, sind sie wertlos. Sie sind ohne Beweiskraft. |
3.2.2 Kassensturzfähigkeit
Kassenaufzeichnungen müssen so beschaffen sein, dass es einem Sachverständigen Dritten jederzeit möglich ist, den durch Kassensturz festgestellten Ist-Betrag mit dem Soll-Betrag der Kasse zu vergleichen. Der Kassensturz dient der Finanzverwaltung als Kontrollmöglichkeit, insbesondere bei der Umsatzsteuer-Nachschau (§ 27b Umsatzsteuergesetz) oder im Rahmen der Kassen-Nachschau nach § 146b Abgabenordnung (→Kapitel 8).
Um die Kassensturzfähigkeit nicht aufgrund falscher Eintragungen oder z. B. fehlerhafter Wechselgeldrückgaben zu gefährden, empfiehlt es sich, Kassen-Ist und Kassen-Soll immer täglich abzugleichen. Hierfür bietet sich die Verwendung eines Zählprotokolls an, in dem die genaue Stückzahl der vorhandenen Geldscheine und Münzen aufgelistet wird. Bei fehlender Kassensturzfähigkeit ist die Buchführung bzw. sind die Aufzeichnungen sowohl formell als auch materiell nicht ordnungsmäßig.
3.2.3 Entnahmen, Einlagen & Geldtransit
Auch Entnahmen, Einlagen und Geldtransit müssen täglich aufgezeichnet werden. Dafür sind Eigenbelege zu fertigen. Die Verpflichtung zur Anfertigung von Eigenbelegen ergibt sich aus § 22 Abs. 2 Nr. 1 Umsatzsteuergesetz, eine Aufzeichnungsverpflichtung ergibt sich darüber hinaus aus § 4 Abs. 4a Einkommensteuergesetz. Derartige Aufzeichnungen dienen auch der Herstellung der Kassensturzfähigkeit. Fehlen solche Belege, handelt es sich nicht nur um einen formellen, sondern um einen schwerwiegenden materiellen Mangel der Kassenführung.
3.3 Grundsatz der Unveränderbarkeit
Buchungen und sonst erforderliche Aufzeichnungen dürfen nicht in einer Weise verändert werden, dass der ursprüngliche Inhalt nicht mehr feststellbar ist oder ungewiss ist, ob sie ursprünglich oder erst später gemacht worden sind. In Papieraufzeichnungen sind den ursprünglichen Inhalt vernichtende Durchstreichungen, Radierungen, Rasuren, Überklebungen oder Weißungen unzulässig. Die Korrektur fehlerhafter Eintragungen hat vielmehr durch belegmäßig nachgewiesene Änderungen zu erfolgen, ohne den ursprünglichen Inhalt der Aufzeichnung unlesbar zu machen.
Besondere Bedeutung erlangt das Erfordernis der Unveränderbarkeit von Aufzeichnungen für elektronische Aufzeichnungssysteme wie z. B. Registrier- und PC-Kassen, Wiegesysteme oder Taxameter. Hier gilt das sog. elektronische Radierverbot. Der Unternehmer muss in einer Verfahrensdokumentation (→Kapitel 6.3) darlegen, wie die Unveränderbarkeit gewährleistet wird.
4 Kassenbuch
Das wichtigste Grundbuch in bargeldintensiven Unternehmen ist das Kassenbuch. Werden Einzelaufzeichnungen geführt, ist deren Summe (Tageslosung) dort täglich nach Geschäftsschluss einzutragen. Diese kann sich bei elektronischen Aufzeichnungssystemen aus dem Z-Bon oder bei Papieraufzeichnungen aus einem Additionsstreifen ergeben.
Berechnungsschema eines Kassenbuchs: | |
Kassenendbestand des Vortages (gezählt) | |
+ | Bareinnahmen (Tageslosung) |
+ | Privateinlagen |
+ | sonstige Einnahmen (z. B. Geldtransit) |
./. | Wareneinkäufe/Nebenkosten |
./. | Geschäftsausgaben |
./. | Privatentnahmen |
./. | sonstige Ausgaben (z. B. Geldtransit) |
= | Kassenendbestand bei Geschäftsschluss |
Bei Verwendung einer offenen Ladenkasse ohne Einzelaufzeichnungen (→Kapitel 5) muss das Kassenbuch zwingend in Form retrograd aufgebauter, aneinandergereihter Kassenberichte geführt werden.
5 Offene Ladenkasse
Abweichend von →Kapitel 3.1 kann in Ausnahmefällen davon abgesehen werden, jeden Geschäftsvorfall einzeln aufzuzeichnen (sog. offene Ladenkasse ohne Einzelaufzeichnungen). Vereinnahmtes Geld landet in einer Schublade. Aufzeichnungen über die einzelnen Betriebseinnahmen werden nicht geführt (z. B. Kiosk). Nach Geschäftsschluss wird die Tageslosung mit einem Kassenbericht nach folgendem Berechnungsschema ermittelt.
Kassenendbestand bei Geschäftsschluss (ausgezählt)
+ | Wareneinkäufe/Nebenkosten |
+ | Geschäftsausgaben |
+ | Privatentnahmen |
+ | sonstige Ausgaben (z. B. Geldtransit) |
./. | Kassenendbestand des Vortages |
= | Kasseneingang |
./. | Privateinlagen |
./. | sonstige Einnahmen (z. B. Geldtransit) |
= | Bareinnahmen (Tageslosung) |
Unter Zumutbarkeits- und Praktikabilitätserwägungen ist diese Form der Kassenführung ausschließlich Steuerpflichtigen gestattet, die
- Waren,
- an eine Vielzahl (namentlich) nicht bekannter Personen gegen Bargeld verkaufen und
- kein elektronisches Aufzeichnungssystem verwenden (§ 146 Abs. 1 S. 2, 3 Abgabenordnung).
Auf Dienstleistungen ist die Regelung nur übertragbar, wenn diese an eine Vielzahl nicht bekannter Kunden erbracht werden und der Kontakt zum Kunden im Wesentlichen auf den Bezahlvorgang beschränkt ist (z. B. offene Geldbehältnisse in mobilen Toilettenanlagen).
Wird ein elektronisches Aufzeichnungssystem verwendet, in dem elektronische Grund(buch)aufzeichnungen tatsächlich technisch, betriebswirtschaftlich und praktisch geführt werden, dann sind diese Daten auch aufzubewahren und in maschinell auswertbarer Form vorzulegen. Insoweit stellt sich die Frage der Zumutbarkeit und Praktikabilität nicht.
Der Steuerpflichtige trägt die Feststellungslast für das Vorliegen der vorgenannten Voraussetzungen. Ungeachtet der Frage, ob die Voraussetzungen für das Führen einer offenen Ladenkasse ohne Einzelaufzeichnungen vorliegen, darf nicht übersehen werden, dass mit der Aufzeichnung von nur einer Summe täglich kein ausreichender Schutz vor Schätzungen der Finanzverwaltung besteht. Die Einnahmen lassen sich nicht mehr in ihre einzelnen Bestandteile zerlegen, womit etwa ein detaillierter Abgleich zwischen Wareneinkauf und Warenverkauf möglich wäre. Mit Kassenberichten lassen sich Kalkulationen der Finanzverwaltung deshalb nur schwerlich entkräften (→Kapitel 10).
Hinweis |
Unter Berücksichtigung der Nichtbeanstandungsregeln des Bundes und der Länder (Ausnahme: Bremen) werden elektronische Aufzeichnungssysteme spätestens ab 01.04.2021 ein deutlich höheres Sicherheitsniveau erreichen als bisher (→Kapitel 9). Zu erwartende Folge ist, dass die Finanzverwaltung dann die offenen Ladenkassen ohne Einzelaufzeichnungen verstärkt ins Visier nehmen wird. Es empfiehlt sich, die Pflicht zur Führung von Einzelaufzeichnungen mit dem Steuerberater zu besprechen und ggf. einen Antrag auf Erleichterung nach § 148 Abgabenordnung zu stellen. |
6 Elektronische Aufzeichnungssysteme
6.1 Vorbemerkungen
In Deutschland existiert keine Verpflichtung zur Führung einer Registrier- oder PC-Kasse. Dennoch handelt es sich bei in Kassenspeichern aufgezeichneten Geschäftsvorfällen nicht um freiwillige, sondern um zumutbare elektronische Grund(buch)aufzeichnungen, mit denen der Unternehmer seine Einzelaufzeichnungspflichten erfüllt. Sie unterliegen einer zehnjährigen Aufbewahrungspflicht und dem in § 147 Abs. 6 Abgabenordnung normierten Datenzugriffsrecht der Finanzverwaltung.
Werden die Daten elektronischer Aufzeichnungssysteme auf einem Server außerhalb Deutschlands gespeichert (z. B. Cloud), muss bei der Finanzbehörde ein schriftlicher Antrag auf Bewilligung gestellt werden, dass die elektronischen Bücher und sonstige erforderliche elektronische Aufzeichnungen oder Teile davon dort geführt und aufbewahrt werden können (§ 146 Abs. 2a Abgabenordnung). Sprechen Sie hierzu mit Ihrem Steuerberater, um nachteilige Rechtsfolgen wie z. B. die Festsetzung eines sog. Verzögerungsgeldes zu vermeiden. |
6.2 Aufzeichnungs-, Aufbewahrungs- und Vorlagepflichten
Spätestens seit dem 01.01.2017 müssen sämtliche Registrier- und PC-Kassen und Waagen mit Registrierkassenfunktion die im BMF-Schreiben vom 26.11.2010 und in den GoBD normierten Anforderungen erfüllen. Danach gilt insbesondere:
- Unterlagen i. S. d. § 147 Abs. 1 AO, die mit Hilfe eines DVSystems erstellt wurden, sind während der Dauer der Aufbewahrungsfrist jederzeit verfügbar, unverzüglich lesbar und maschinell auswertbar aufzubewahren.
- Insbesondere müssen alle steuerlich relevanten Einzeldaten (Einzelaufzeichnungspflicht) einschließlich etwaiger mit dem Gerät elektronisch erzeugter Rechnungen im Sinne des § 14 UStG unveränderbar und vollständig aufbewahrt werden.
- Eine Verdichtung dieser Daten oder ausschließliche Speicherung der Rechnungsendsummen ist unzulässig.
- Ein ausschließliches Vorhalten aufbewahrungspflichtiger Unterlagen in ausgedruckter Form ist nicht ausreichend.
- Die digitalen Unterlagen und die Strukturinformationen müssen in einem auswertbaren Datenformat vorliegen.
- Ist die komplette Speicherung aller steuerlich relevanten Daten, bei der Registrierkasse insbesondere Journaldaten, Auswertungsdaten, Programmierdaten und Stammdatenänderungsdaten innerhalb des Geräts nicht möglich, müssen diese Daten unveränderbar und maschinell auswertbar auf einem externen Datenträger gespeichert werden. Ein Archivsystem muss die gleichen Auswertungen wie jene im laufenden System ermöglichen.
- Die konkreten Einsatzorte und -zeiträume der vorgenannten Geräte sind zu protokollieren und diese Protokolle aufzubewahren. Die Grundlagenaufzeichnungen zur Überprüfung der Bareinnahmen müssen für jedes einzelne Gerät getrennt geführt und aufbewahrt werden.
- Die zum Gerät gehörenden Organisationsunterlagen müssen aufbewahrt werden, insbesondere die Bedienungsanleitung, die Programmieranleitung und alle weiteren Anweisungen zur Programmierung des Geräts.
- Soweit mit Hilfe eines solchen Geräts unbare Geschäftsvorfälle (z. B. EC-Cash, ELV-Elektronisches Lastschriftverfahren) erfasst werden, muss aufgrund der erstellten Einzeldaten ein Abgleich der baren und unbaren Zahlungsvorgänge und deren zutreffende Buchung im Buchführungs- bzw. Aufzeichnungswerk gewährleistet sein.
Das gilt auch für die mit Hilfe eines Taxameters oder Wegstreckenzählers erstellten digitalen Unterlagen, soweit diese Grundlage für die Eintragungen auf einem Schichtzettel i. S. d. BFH-Urteils vom 26.02.2004 sind.
Hinweis |
Die nicht getrennte Aufzeichnung von nicht steuerbaren, steuerfreien und steuerpflichtigen Umsätzen ohne genügende Kennzeichnung verstößt in der Regel gegen steuerrechtliche Anforderungen (z. B. § 22 UStG). Eine kurzzeitige gemeinsame Erfassung von baren und unbaren Tagesgeschäften im Kassenbuch ist regelmäßig nicht zu beanstanden, wenn die ursprünglich im Kassenbuch erfassten unbaren Tagesumsätze (z. B. EC-Kartenumsätze) gesondert kenntlich gemacht sind und nachvollziehbar unmittelbar nachfolgend wieder aus dem Kassenbuch auf ein gesondertes Konto aus- bzw. umgetragen werden, soweit die Kassensturzfähigkeit der Kasse weiterhin gegeben ist (GoBD, Rz. 55). |
Hinweis |
Seit Oktober 2020 ist die Plattform „MeinFiskal“ online. DATEV gründete damit eine offene Fiskalisierungs-Plattform für Lösungen rund um die gesetzlichen Anforderungen an die Kassenführung. Das Herzstück von „MeinFiskal“ ist das „DATEV Kassenarchiv online“, das eine GoBD-konforme und revisionssichere Archivierung von Fiskaldaten für Kassenbetreiber auch schon in der Vergangenheit ermöglichte. „DATEV Kassenarchiv online“ ist nun Teil der Plattform und über www.meinfiskal.de erreichbar. Sprechen Sie hierzu Ihren Steuerberater an. |
6.3 Verfahrensdokumentation
Die Finanzverwaltung misst den Organisationsunterlagen (Verfahrensdokumentation) erhebliche Bedeutung bei, weil sich daraus Inhalt, Aufbau, Ablauf und Ergebnisse des DV-gestützten Verfahrens ersehen lassen. Eine Verfahrensdokumentation beschreibt den im Unternehmen technisch und organisatorisch gewollten Prozess und besteht i. d. R. aus einer allgemeinen Beschreibung, der Anwenderdokumentation, der technischen Systemdokumentation und der Betriebsdokumentation.
Ohne Verfahrensdokumentation ist es einem sachverständigen Dritten kaum möglich, sich in angemessener Zeit im elektronischen Aufzeichnungssystem zurechtzufinden. Eine fehlende oder ungenügende Verfahrensdokumentation wird deshalb in aller Regel als schwerwiegender Mangel der Kassenführung gewertet, der Anlass zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen bietet (→Kapitel 10).
Hinweis |
Für elektronische Kassensysteme steht auf der Homepage des Deutschen Fachverbands für Kassen- und Abrechnungssystemtechnik im bargeld- und bargeldlosen Zahlungsverkehr e. V. (DFKA) eine Muster-Verfahrensdokumentation zum unentgeltlichen Abruf bereit.[3] Sprechen Sie Ihren Steuerberater an, er kann wertvolle Hilfe bei der Erstellung einer Verfahrensdokumentation leisten. |
7 Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG (EÜR)
Bei Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG (Einnahmenüberschussrechnung – EÜR) besteht keine Verpflichtung zur Führung eines Kassenbuches. Dennoch ist auch hier sicherzustellen, dass die für die Besteuerung maßgeblichen Vorgänge vollständig und richtig erfasst sind. Die Geschäftsvorfälle müssen nachprüfbar festgehalten werden und den Zweck, den sie für die Besteuerung erfüllen sollen, erreichen (§ 145 Abs. 2 AO). Daher wird auch ein Einnahmenüberschussrechner nicht umhin kommen, bestimmte Grundaufzeichnungen zu führen (vgl. Finanzgericht des Saarlandes vom 21.06.2012, Az. 1 K 1124/10 mit weiteren Nachweisen). Erfasst er seine Tageseinnahmen mithilfe der offenen Ladenkasse ohne Einzelaufzeichnungen, muss auch er das Zustandekommen dieser Summe durch retrograd aufgebaute Kassenberichte nachweisen können (→Kapitel 5). Ihr Steuerberater berät Sie dazu gerne.
8 Kassen-Nachschau (§ 146b Abgabenordnung)
Zur Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Aufzeichnungen und Buchungen von Kasseneinnahmen und Kassenausgaben kann die Finanzbehörde seit dem 01.01.2018 ohne vorherige Ankündigung während der üblichen Geschäfts- und Arbeitszeiten Geschäftsgrundstücke oder Geschäftsräume von Steuerpflichtigen betreten, um für die Besteuerung erhebliche Sachverhalte festzustellen (Kassen-Nachschau).
Die Kassen-Nachschau umfasst die Prüfung elektronischer Aufzeichnungen und Papier-Aufzeichnungen (Offene Ladenkasse). Auch Testkäufe und Beobachtungen vor Ort sind zulässig, ohne dass sich der Prüfer zu erkennen geben oder ausweisen müsste. Der Steuerpflichtige unterliegt damit hinsichtlich vorgenommener Manipulationen oder formeller Fehler einem hohen Entdeckungsrisiko.
Gibt der Amtsträger sich zu erkennen und weist er sich aus, sind auf sein Verlangen Bücher, Aufzeichnungen sowie die für die Kassenführung erheblichen sonstigen Organisationsunterlagen über die der Kassen-Nachschau unterliegenden Sachverhalte und Zeiträume vorzulegen und Auskünfte zu erteilen, soweit sie für die Besteuerung erheblich sind.
Liegen die Bücher und Aufzeichnungen in elektronischer Form vor, ist der Amtsträger berechtigt, diese einzusehen, die Übermittlung von Daten zu verlangen oder zu verlangen, dass Buchungen und Aufzeichnungen auf einem maschinell auswertbaren Datenträger zur Verfügung gestellt werden.
Im Rahmen der Kassen-Nachschau nimmt der Kassensturz bzw. die Kassensturzfähigkeit eine große Rolle ein (→Kapitel 3.2.2). Insgesamt entsteht durch die Kassen-Nachschau damit ein deutlich höheres Schätzungsrisiko als dies ohnehin heute schon vorliegt.
Hinweis |
Angehörige steuerberatender Berufe haben das Recht, an einer Kassen-Nachschau teilzunehmen. Allerdings ist der Amtsträger nicht verpflichtet, auf den Steuerberater zu warten. Er darf auch ohne seine Anwesenheit mit den Prüfungshandlungen beginnen. Sprechen Sie im Vorfeld die Vorgehensweise mit Ihrem Steuerberater ab und bereiten Sie sich so optimal auf eine Kassen-Nachschau vor. Gemeinsam mit Ihrem Berater muss die Rechtskonformität der Kassenführung geprüft und gesichert werden. |
9 Änderungen ab 2020
9.1 Technische Sicherheitseinrichtung (TSE)
Durch das Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen vom 22.12.2016 sollen elektronische Aufzeichnungssysteme ab 01.01.2020 wirksamer vor manipulativen Eingriffen geschützt werden (§ 146a Abgabenordnung). Da ein flächendeckender Einsatz des vorgesehenen Manipulationsschutzes zum 01.01.2020 nicht möglich war, hat das BMF reagiert und am 06.11.2019 ein BMF-Schreiben veröffentlicht, das die Frist für die Verwendung bis längstens 30.09.2020 verlängert (Nichtbeanstandungsregelung). Einer weiteren Verlängerung der Nichtbeanstandungsregelung hat das BMF trotz der aktuellen Besonderheiten (Corona-Pandemie, befristete Absenkung der Umsatzsteuersätze) nicht zugestimmt. Allerdings haben alle Bundeslänger mit Ausnahme von Bremen (Stand: 01.11.2020) diese Nichtbeanstandungsregelung inzwischen durch eigene Anweisungen verlängert. Die rechtmäßige Inanspruchnahme ist jedoch an unterschiedliche, nicht bundeseinheitliche Voraussetzungen geknüpft.
Tenor der Regelungen ist, dass die Nichtverwendung einer TSE längstens bis zum 31.03.2021 beanstandungsfrei bleibt, wenn der Unternehmer nachweist, dass der Einbau der TSE bis zum 30.09.2020 bei einem Kassenhersteller oder Kassendienstleister in Auftrag gegeben wurde. Einige Bundesländer haben die Auftragserteilung bereits bis zum 31.08.2020 gefordert und/oder von weiteren Voraussetzungen abhängig gemacht.
Es blieb jedoch dabei, dass Steuerpflichtige weiterhin für eine unverzügliche Implementierung des Manipulationsschutzes Sorge tragen müssen. Kernpunkte des § 146a Abgabenordnung sind:
- Verpflichtender Einsatz einer zertifizierten technischen Sicherheitseinrichtung (TSE), bestehend aus einem Sicherheitsmodul, einem nichtflüchtigen Speichermedium und einer einheitlichen digitalen Schnittstelle (§ 146a Abs. 1 Abgabenordnung).
- Belegausgabepflicht bei Verwendung elektronischer Aufzeichnungssysteme und Möglichkeiten der Befreiung von dieser Verpflichtung (§ 146a Abs. 2 Abgabenordnung). Der Verpflichtung kann durch Papierbelege (Rechnung, Quittung) oder elektronische Belege, z. B. Übertragung per NFC oder Bluetooth, nachgekommen werden. Eine Übersendung des elektronischen Belegs per SMS oder E-Mail ist auch möglich.
Es gilt zu beachten, dass die Nichtbeanstandungsregeln des Bundes und der Länder insoweit nicht gelten, sodass auch ohne TSE bereits seit 01.01.2020 Belege auszugeben sind. Allerdings können sich Steuerpflichtige, die Waren an eine Vielzahl von nicht bekannten Personen verkaufen, von der Belegausgabepflicht befreien lassen. Das gilt für bestimmte Dienstleistungen entsprechend. Die Erfahrung hat jedoch gezeigt, dass Finanzverwaltung und Rechtsprechung bisher sehr strenge Maßstäbe angelegt haben (→Kapitel 9.2), die nur in einer überschaubaren Anzahl von Einzelfällen zu einer tatsächlichen Befreiung von der Belegausgabepflicht führten.
Eine Pflicht zur Annahme des Belegs durch den Kunden besteht nicht. Auch den Belegaussteller trifft keine Aufbewahrungspflicht für nicht entgegengenommene Papierbelege.
Verstöße gegen die Belegausgabepflicht sind nicht bußgeldbewehrt, könnten jedoch als Indiz dafür gewertet werden, dass den Aufzeichnungspflichten nicht entsprochen wurde.
Wenden Sie sich hierzu an Ihren steuerlichen Berater.
- Meldepflicht für elektronische Aufzeichnungssysteme an die Finanzverwaltung hinsichtlich Anmeldung, Abmeldung und Korrektur (§ 146a Abs. 4 Abgabenordnung).
Hinweis |
Die Meldepflicht für elektronische Aufzeichnungssysteme im Bestand ist grundsätzlich bis zum 31.01.2020 auf amtlich vorgeschriebenem Vordruck vorzunehmen. Bei Anschaffung oder Außerbetriebnahme eines elektronischen Aufzeichnungssystems ist der Meldepflicht innerhalb eines Monats nachzukommen (§ 146a Abs. 4 AO). Mit BMF-Schreiben vom 06.11.2019 wurde die Meldepflicht sowohl für Bestandssysteme als auch für Neuanschaffungen ausgesetzt, bis ein elektronisches Verfahren dafür zur Verfügung steht. Der Zeitpunkt hierfür soll im Bundessteuerblatt, Teil I veröffentlicht werden. Bitte halten Sie sich zu dieser Thematik bei Ihrem steuerlichen Berater auf dem Laufenden. |
Die Anforderungen an die TSE hat der Gesetzgeber in der Verordnung zur der technischen Anforderungen an elektronische Aufzeichnungs- und Sicherungssysteme im Geschäftsverkehr (Kassensicherungsverordnung – KassenSichV –) konkretisiert. Bleiben Sie diesbezüglich, auch im Hinblick auf eine Aktualisierung der KassenSichV, mit Ihrem steuerlichen Berater und mit Ihrem Kassenhersteller in Kontakt.
Hinweis |
Registrierkassen, die nach dem 25.11.2010 und vor dem 01.01.2020 angeschafft wurden, allerdings bauartbedingt nicht mit einer TSE aufrüstbar sind, sodass sie die Anforderungen des § 146a Abgabenordnung nicht erfüllen, dürfen unter weiteren Voraussetzungen bis längstens 31.12.2022 weiter verwendet werden. Das gilt nicht für PC-Kassen. Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist der Steuerpflichtige für das Vorliegen der Voraussetzungen nachweispflichtig. Die Nachweise sind der Verfahrensdokumentation (Systemdokumentation) beizufügen, z. B. durch eine Bestätigung des Kassenherstellers. Auch Steuerpflichtige, die sog. „Übergangskassen“ verwenden, sind verpflichtet, ab 01.01.2020 Belege auszugeben. |
Steuerpflichtige sind verpflichtet,
- sich über die Bereitstellung der technischen Sicherheitseinrichtung durch den jeweiligen Kassenhersteller fortlaufend zu informieren und
- bei positiver Nachricht ihr elektronisches Aufzeichnungssystem umgehend umzurüsten.
9.2 Handlungsempfehlungen
a) Mittlerweile gibt es Kassensysteme, die den ab 01.01.2020 geltenden Sicherheitsstandards entsprechen. Für die Nachrüstung elektronischer Aufzeichnungssysteme stehen bereits vier zertifizierte Hardware-TSE (z. B. USB, SD, microSD) zur Verfügung, am 30.09.2020 ist zudem die erste Cloud-TSE zertifiziert worden. Informieren Sie sich bei Ihrem Kassenhersteller und bei Ihrem Steuerberater.
b) Bei einem geplanten Systemwechsel ergeben sich weitere Anforderungen aus den GoBD. So müssen die aufzeichnungs- und aufbewahrungspflichtigen Daten (einschließlich Metadaten, Stammdaten, Bewegungsdaten und der erforderlichen Verknüpfungen) unter Beachtung der Ordnungsvorschriften (vgl. §§ 145 bis 147 AO) quantitativ und qualitativ gleichwertig in das neue System, in eine neue Datenbank, in ein Archivsystem oder in ein anderes System überführt werden.
Das neue System, das Archivsystem oder das andere System muss in quantitativer und qualitativer Hinsicht die gleichen Auswertungen der aufzeichnungs- und aufbewahrungspflichtigen Daten ermöglichen, als wären die Daten noch im Produktivsystem. Andernfalls ist die ursprüngliche Hard- und Software des Produktivsystems – neben den aufzeichnungs- und aufbewahrungspflichtigen Daten – grundsätzlich für die Dauer von 10 Jahren vorzuhalten (→siehe hierzu nachfolgenden Hinweis). Es muss gewährleistet sein, dass die Daten von der Finanzverwaltung maschinell ausgewertet werden können.
Hinweis |
Besprechen Sie mit Ihrem Steuerberater die möglicherweise verkürzte Aufbewahrungsfrist für Altsysteme von 5 Jahren (§ 147 Abs. 6 Abgabenordnung i.d.F. des Bürokratieentlastungsgesetzes III). So gilt ab 01.01.2020 Folgendes: Sofern noch nicht mit der Außenprüfung begonnen wurde, ist es im Falle eines Systemwechsels oder einer Auslagerung von aufzeichnungs- und aufbewahrungspflichtigen Daten aus dem Produktivsystem ausreichend, wenn nach Ablauf des 5. Kalenderjahres, das auf die Umstellung folgt, nur noch der Datenzugriff im Wege der Datenträgerüberlassung eingeräumt wird (GoBD, Rz. 164). Die Kassendaten selbst bleiben davon unberührt, sie sind wie bisher insgesamt 10 Jahre aufzubewahren. Ein geplanter Systemwechsel sollte unbedingt mit dem Steuerberater und dem IT-Dienstleister (Kassenaufsteller) besprochen werden, um nachteilige Rechtsfolgen zu vermeiden. |
c) Bei Verkauf von Waren an eine Vielzahl von nicht bekannten Personen kann die zuständige Finanzbehörde den Steuerpflichtigen auf Antrag aus Zumutbarkeitsgründen nach pflichtgemäßem Ermessen von der Belegausgabepflicht befreien. (§§ 146a Abs. 2 Satz 2 i. V. m. 148 AO), wenn die Funktion der TSE dadurch nicht eingeschränkt wird. Das gilt unter den gleichen Voraussetzungen für Dienstleistungen. Dazu muss der Steuerpflichtige einzelfallbezogen sachliche oder persönliche Härte geltend machen. Kostengründe für sich alleine stellen keine sachliche Härte dar.[4]
Positiv beschiedene Anträge befreien nicht von der Pflicht zur Ausstellung von Quittungen i. S. d. § 368 BGB, Rechnungen (vgl. §§ 14, 14a, 14b Umsatzsteuergesetz) oder anderen erforderlichen Belegen (z. B. § 144 Abs. 4 Abgabenordnung).
d) Soweit mit den betrieblichen Abläufen vereinbar, empfiehlt sich, konsequent auf bargeldlose Zahlung umzustellen. Ein solcher Schritt vermag das (auch nach dem 31.12.2019 bestehende) Schätzungsrisiko deutlich zu senken. Denn trotz erhöhten Manipulationsschutzes ist der Gesetzgeber dem Ansinnen zahlreicher Verbände, bei ordnungsgemäßer Verwendung der TSE einen erhöhten Vertrauensschutz i. S. d. § 158 AO(→Kapitel 10) zu gewähren, nicht gefolgt.
10 Rechtsfolgen fehlerhafter Kassenführung
Nach § 158 Abgabenordnung sind die Buchführung und die Aufzeichnungen, die den Vorschriften der §§ 140 – 148 Abgabenordnungentsprechen, der Besteuerung zu Grunde zu legen, soweit nach den Umständen des Einzelfalls kein Anlass ist, deren sachliche Richtigkeit zu beanstanden.
Bücher und Aufzeichnungen sind ordnungswidrig, wenn sie wesentliche Mängel aufweisen oder die Gesamtheit aller unwesentlichen Mängel diesen Schluss fordert. Es kommt auf das Gesamtbild der Umstände im Einzelfall an.
Ist die Beweisvermutung der Bücher und Aufzeichnungen erschüttert, eröffnet sich die Befugnis der Finanzverwaltung, Besteuerungsgrundlagen zu schätzen (§ 162 Abgabenordnung). Dies geschieht vorrangig z. B. durch Nachkalkulationen, Geldverkehrsrechnungen, nachrangig z. B. durch sog. Zeitreihenvergleiche, Quantilsschätzungen im Rahmen der summarischen Risikoprüfung (SRP). Auch pauschale (Un-)Sicherheitszuschläge oder Schätzungen anhand der Amtlichen Richtsatzsammlung sind zulässig, wenn das Ausmaß unversteuerter Einnahmen nicht bekannt ist und nicht oder nur mit unzumutbarem Aufwand ermittelt werden kann. Zudem drohen weitere Rechtsfolgen (z. B. Steuerstrafverfahren, Bußgelder gem. §§ 379 AO, 26, 26a UStG).
Je schwerwiegender die Mängel sind, umso gröber darf das Schätzverfahren ausfallen und umso mehr darf sich die Finanzbehörde am oberen Schätzungsrahmen orientieren. Schätzungs- und Fehlertoleranzen gehen grundsätzlich zu Lasten des Steuerpflichtigen, da er Anlass zur Schätzung gegeben hat. Allerdings müssen Schätzungsergebnisse eine größtmögliche Wahrscheinlichkeit für sich haben und sich als schlüssig, wirtschaftlich vernünftig und möglich darstellen lassen. Diesen Rahmen verlassende „Strafschätzungen“ sind nicht zulässig.
Sind die Bücher und Aufzeichnungen formell ordnungsmäßig i. S. d. §§ 140 – 148 Abgabenordnung, geht das in sie gesetzte Vertrauen (erst) verloren, wenn aufgrund beweiskräftiger Nachkalkulation festgestellt wird, dass das ausgewiesene Buchführungsergebnis mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht den tatsächlichen Verhältnissen entspricht und der Unschärfebereich einer solchen Nachkalkulation überschritten ist.
Hinweis |
Fehlende oder nicht ausreichende Organisationsunterlagen („Verfahrensdokumentation“) eröffnen Prüfungsdiensten der Finanzverwaltung regelmäßig die Befugnis, die Umsätze und Gewinne Ihres Unternehmens zu schätzen (BFH-Urteil vom 25.03.2015, BStBl 2015 II S. 743). Nur soweit eine fehlende oder ungenügende Verfahrensdokumentation die Nachvollziehbarkeit und Nachprüfbarkeit nicht beeinträchtigt, liegt kein formeller Mangel mit sachlichem Gewicht vor, der zum Verwerfen der Buchführung führen kann (GoBD, Rz. 155). |
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Stand: November 2020
DATEV-Artikelnummer: 19404
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Fußnoten:
[1] | BMF-Schreiben vom 28.11.2019, IV A 4 – S 0316/19/10003 :001. |
[2] | Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) zu § 146, Nr. 2.1.3. |
[3] | Veröffentlicht unter https://www.dfka.net/Muster-VD-Kasse (aktualisiert im August 2020). |
[4] | Zu den hohen Hürden vgl. Sächsisches Finanzgericht, Beschluss vom 01.04.2020 – 4 V 212/20. |